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Grid Control: Zukunftsfähige Stromnetze Made in Germany

24. Januar 2018 09:20:23 MEZ

ThinkstockPhotos-598156726_Highlightbild.jpgAuf den ersten Blick sieht man dem kleinen baden-württembergischen Städtchen Freiamt an der französischen Grenze gar nicht an, dass hier an der Zukunft der Stromverteilung gearbeitet wird. Aber so ist es. Dank zukunftsweisender Entscheidungen, die schon 20 Jahre zurückreichen, und der Arbeit eines Projektteams von neun Akteuren der Energiewirtschaft, zeichnet sich mittlerweile Grosses ab ...

Schon lange bevor die Energiewende ein heisses Thema wurde, hatte sich Freiamt den alternativen Energiequellen zugewendet und in den 80er und 90er Jahren einige der ersten Windkraftanlagen Deutschlands errichtet. Heute liegt die in einer Kombination aus Windkraft, Biogas und Photovoltaik erzeugte Strommenge beim Vierfachen des tatsächlichen Verbrauchs. Diese Konzentration unterschiedlicher erneuerbarer Energien gab den Ausschlag dafür, dass Freiamt als Testregion für das Grid-Control-Projekt ausgewählt wurde. Das Projekt wurde 2015 von Netze BW mit acht Partnern – darunter auch Landis+Gyr – und mit erheblichen Fördermitteln des Bundeswirtschaftsministeriums gestartet. 

The Landis+Gyr meters installation by Netze BW  in Freiamt.jpg
Landis+Gyr Zählerinstallation durch Netze BW in Freiamt. 

Das Projekt zielt auf die Entwicklung und Erprobung eines zukunftsfähigen Verteilnetzes, das die intelligente Koordination der verschiedenen Erzeuger und Akteure in der Energieversorgung – Netzbetreiber, Prosumer und Händler – ermöglicht. Mit der zunehmenden Komplexität in modernen Netzen ändert sich auch die Rollenverteilung in der Energieproduktion und -verteilung. Die Konzepte und Lösungen, die im Zuge des Grid-Control-Projektes entwickelt werden, sollen das Zusammenspiel aller Beteiligten gemäss ihren jeweiligen Anforderungen ermöglichen. Ein Teil davon ist die Reaktion auf Schwankungen auf der Erzeugerseite: Zeitweise Ausfälle in der regionalen Erzeugung über PV-Anlagen o.Ä. müssen kompensiert werden können, um eine ausreichende Energieversorgung gewährleisten zu können. Sich verändernde Verhaltensmuster der Verbraucher haben ihrerseits Einfluss auf die Nachfrageseite – der Trend zu Elektromobilität ist dafür ein Beispiel. Die deutsche Regierung hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt und will bis 2020 mehr als eine Million Elektrofahrzeuge auf die Strasse bringen, weitere sollen folgen.
Das stellt das EVU-Management vor völlig neue Herausforderungen: In dieser Grössenordnung können Elektrofahrzeuge das Stromnetz erheblich belasten. Auch zu dieser Fragestellung soll Grid Control Antworten liefern.

„Wir brauchen neue, intelligente Technologien, um langfristig eine sichere und umweltfreundliche Stromversorung zu sichern“, so Ministerialdirektor Helmfried Meindel vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. „In Freiamt sind die Bedingungen ideal für die Entwicklung des Stromnetzes der Zukunft. Das Projekt der Netze BW bringt uns unserem Ziel, Baden-Württemberg zu einer Leitregion im Bereich der intelligenten Stromnetze zu machen, einen Schritt näher.“

Presentation of the Landis+Gyr solution setup in the grid-control project_Highlightbild.jpgVorstellung der Landis+Gyr-Lösung für das "Grid-Control"-Projekt.

Das Projekt hat kürzlich einen wichtigen Meilenstein erreicht. 2017 endete die Entwicklungs- und Erprobungsphase, der nun ein umfangreicher Feldtest im Raum Freiamt folgt. Die Ingenieure haben in den vergangenen Monaten hart gearbeitet, um die Landis+Gyr Technologie aufzusetzen, die dabei als Front-End zum Einsatz kommen soll: 100 E750 Sym2-Zähler in Kombination mit dem Steuergerät S750-GCU (Grid Control Unit). Die Komponenten wurden gemeinsam mit Netze BW eigens für das Management von vielen unterschiedlichen Endgeräten entwickelt. An rund 30 Netzknoten (Ortsnetzttransformatoren, Haushalte und Landwirtschaftsbetriebe) wurde die Technik installiert, um etwa 700 kW aus PV-Anlagen, das Energiemanagement im Gebäude und die Batteriespeicherung zu koordinieren. In dem lokalen Netz wurden zudem vier Batteriespeichersysteme mit Kapazitäten von 9 kWh bis 120 kWh, ein regelbarer Ortsnetzttransformator und eine doppelte Ladesäule für Elektrofahrzeuge installiert.

An zahlreichen Stellen wurden Zähler von Landis+Gyr eingebaut, die den Strom im Sekundentakt messen und die Daten minütlich an das regionale Energiemanagementsystem (REMS) übermitteln. Bei Spannungsschwankungen über die definierten Grenzwerte hinaus wird das REMS aktiviert. Aufgrund der zentralisierten Systemarchitektur erfolgt in diesem Projekt auch die Spannungsregelung zentral.

Andere Anwendungsfelder sind z. B. das Kapazitätsmanagement und die Regelenergie. Auf Basis der Daten aus den Landis+Gyr Zählern, die das Netz permanent überwachen und steuern, kann das REMS Engpässe automatisiert beseitigen, indem Last oder Einspeisung reduziert werden, die Batteriespeicherung aktiviert wird etc. Das REMS ermöglicht ferner die Steuerung des Energieflusses an definierten Netzpunkten wie einem HS/MS-Umspannwerk.

Für die einfache Steuerung der komplexen Infrastruktur hat Netze BW eine Netzampel installiert. Grünes Licht ist das Signal für einen störungsfreien Betrieb. Springt die Ampel auf Gelb, ist dies ein Zeichen für einen möglichen Engpass, der restriktive Massnahmen der Akteure erfordern könnte. So könnte der Betreiber eines virtuellen Kraftwerks die Betriebsmodi seiner Erzeugungs- und Speicherkapazitäten entsprechend anpassen, um Überlastungen zu vermeiden.

Unabhängig davon, ob diese Massnahmen in der Gelbphase ergriffen werden, kann das Stromnetz aufgrund unvorhergesehener Ereignisse an seine technischen Grenzen stossen. In diesem Fall – der Rotphase – würde das REMS automatisch Schutzmassnahmen einleiten.

„Wir freuen uns, unseren langjährigen Kunden und Partner Netze BW dabei unterstützen zu können, die enormen Potenziale moderner Smart-Grid-Technologie in einem automatisierten und flexiblen Netz zu erschliessen“, sagt Ralph Griewing, SVP Energy Solutions bei Landis+Gyr.

Der Feldtest soll bis Sommer 2018 laufen und wertvolle Daten für den nächsten Schritt bei der Entwicklung zukunftsfähiger Netze liefern.

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