Früher floss die Energie nur in einer Richtung durch die Wertschöpfungskette. Kraftwerke erzeugten den Strom, der über Hochspannungsleitungen zu den Umspannwerken transportiert und dann durch Drähte an Strommasten ins Haus gebracht wurde. All dies geschah hinter einem Zähler und die Verbraucher kamen nur dann ins Spiel, wenn sie Strom verbrauchten oder eine Stromrechnung bezahlten. Sie wussten nicht, wie sie ihre Energie beziehen und beeinflussen konnten sie das erst recht nicht. Das ändert sich jedoch.
Nicht mehr nur eine Richtung
Heute ist das Stromnetz ein multidirektionales, dezentrales Ökosystem, zu dem auch erneuerbare Energien und Elektrofahrzeuge gehören. Verbraucher konsumieren nicht mehr nur Energie, sondern produzieren sie auch auf ihren Solardächern oder in Windkraftanlagen. Angesichts der weiter steigenden Nachfrage und der aktuellen Dekarbonisierungs- und Nachhaltigkeitsziele stellt sich die Frage, wie eine für den Verbraucher bislang eher undurchsichtig Branche einen grösseren Mehrwert bieten und engere Beziehungen aufbauen kann.
Vom passiven Verbraucher zum Akteur
Alte und neue Herausforderungen
Die Regulierungsbehörden bewerten und bestrafen immer strenger, der Wechsel des Anbieters wird einfacher und die unregelmässige Aufladung durch Elektrofahrzeuge und erneuerbare Energien bringen das Netz ins Ungleichgewicht. Wie jede andere Branche im Spannungsfeld von Digitalisierung, Dekarbonisierung und Dezentralisierung gerät auch die Energieversorgung zunehmend unter Druck, sich neu zu erfinden. Da der Klimawandel ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt, ändern sich nicht nur die nationalen Vorschriften und internationalen Ziele. Auf der ganzen Welt suchen Menschen nach Inspiration und Möglichkeiten, einen Beitrag zu leisten – und eben nicht Teil des Problems zu werden.
Eine neue Rolle
DSOs und Netzbetreiber sind heute nicht nur für den zuverlässigen Energiefluss verantwortlich, sondern auch für Informationen. Sie sollen Angebot und Nachfrage ausgleichen, erneuerbare Energien integrieren, das Aufladen von Elektrofahrzeugen ermöglichen und ein sicheres, effizientes Netz gewährleisten. Darüber hinaus müssen sie Lieferanten, Verbrauchern, Regulierungsbehörden und anderen Beteiligten einen sicheren, diskriminierungsfreien Zugang zu Informationen gewähren. Mit der Abkehr der Verbraucher von der zentralen, kohlebefeuerten Stromerzeugung hin zu erneuerbaren Energien und Batteriespeichern wird die Zukunft für Netzbetreiber in den neuen Einnahmequellen liegen, die sich durch Energiedienstleistungen, Daten und Analysen am Netzrand ergeben. Grid-Edge-Lösungen, die aussagekräftige Erkenntnisse über den Verbrauch, die Stromqualität und den Zustand der Anlagen liefern, bieten den Unternehmen enorme Chancen, auf dem neuen Energiemarkt zu bestehen. Netzbetreiber müssen daher ihre Dienstleistungen und Geschäftsmodelle umgestalten und ihre neue Rolle als Datendrehscheibe und Marktvermittler im Zeitalter von Utility 4.0 annehmen.
Treiber für die Edge und das Unternehmen
Die branchenübergreifende Digitalisierung hat neue Möglichkeiten und höhere Erwartungen von Verbrauchern, Netzteilnehmern und DSOs mit sich gebracht. Doch trotz OT/IT-Konvergenz und IoT-fähiger Zähler profitieren die VNBs noch immer nicht von den durch intelligente Zählern gesammelten Daten. Von den Endverbrauchern ganz zu schweigen. Verwertbare Informationen über den Verbrauch, die Stromqualität und den Zustand der Anlagen können den Netzbetreibern helfen, die Stabilität des Netzes, die Einnahmen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu verbessern. Edge Intelligence kann, wenn sie richtig eingesetzt wird, den Verbrauchern auf Geräteebene Informationen für ihr persönliches Energiemanagement liefern und dabei den Datenschutz gewährleisten. Energieunternehmen und Netzbetreiber müssen sich also die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze machen, um ihre immer versierteren Kunden besser anzusprechen.
Fazit
Getrieben von der Digitalisierung, der OT/IT-Konvergenz und der Demokratisierung von Daten werden die Energieverbraucher der Zukunft vernetzt und autonom sein und aktiv auf das Netz einwirken, indem sie Transaktionen im neuen Internet der Energie durchführen. Energieversorger und Verteilernetzbetreiber müssen sich daher auf ihre veränderte Rolle in der Wertschöpfungskette der Energie- und Versorgungsunternehmen als Datendrehscheiben und Marktvermittler vorbereiten. Fortschritte in den Bereichen Cloud Computing, Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen geben den Versorgern die notwendigen Werkzeuge für diesen Wandel hin zu einem verbesserten Kundenerlebnis und einer höheren betrieblichen Effizienz.